Zeugnis unserer Sr. M. Erentrudis bei der Vesper am 26. August 2021 

Ich heiße Sr. M. Erentrudis, stamme aus Norddeutschland, bin 83 Jahre alt und seit 59 Jahren auf dem Nonnberg. Aber wie bin ich auf den Nonnberg gekommen – vom Norden in den Süden?

Dreimal bin ich nach Salzburg bzw. Österreich gekommen:

Das erste Mal in den Jahren 1941-1945, mitten im 2. Weltkrieg. Damals flogen die alliierten Truppen Luftangriffe auf die großen deutschen Städte Dresden, Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München, und besonders auf die Industriestädte. So traf es auch Essen, meine Heimatstadt, wo ich mit meinen Eltern und meinen beiden älteren Geschwistern wohnte. Ich war damals noch sehr klein, aber ich kann mich erinnern, wie wir durch die brennende Stadt mit Gasmaske in die Schutzkeller gelaufen sind. Die Alliierten glaubten durch die Zerstörung des Hinterlandes die Front zu schwächen, doch der Krieg und die Bombardierungen gingen weiter, und Hitler ordnete an, dass alle Mütter mit kleinen Kindern zum Schutz aus diesen Gebieten evakuiert werden müssen. So kam ich als kleines Mädchen nach Stadt Haag in Niederösterreich. Dort blieben wir bis 1945. Als aber gegen Kriegsende die Nachricht kam, dass die Russen wahrscheinlich Niederösterreich besetzen würden, entschied meine Mutter, nach Essen zurückzukehren. Weil man nicht wusste, wie es unter den Russen kirchlich weitergehen würde, erlaubte mir der Pfarrer zuvor noch die Frühkommunion. Dadurch ging mein sehnlicher Wunsch, auch Jesus empfangen zu können wie meine Schwester zwei Jahre zuvor, in Erfüllung. So durfte ich mit 7 Jahren – das war damals sehr früh – zum ersten Mal die Hl. Kommunion empfangen. Dies war für mich ein ganz prägendes Erlebnis für meinen weiteren Lebensweg.

Bereits in der Volksschule erwachte in mir dann der Missionsgedanke, weil es damals den Slogan gab: „Alle Kinder dieser Erde sollen Gottes Kinder werden!“. Und so gab ich begeistert das wenige Geld, das ich mir für die Rabattmarken auf die, in der Nachkriegszeit noch rationierten Lebensmittel zusammensparen konnte, für meine drei „Heidenkinder“ – wie man damals noch sagte – aus. Bei einem völlig unerwarteten Ruf aus einer zufällig eingeschalteten Radiosendung: „Kommt zu uns herüber!“, wurde mir meine Berufung ganz klar: Ich will als Schwester in die Mission gehen! So wechselte ich nach der Realschule mit 17 Jahren auf die Missionsschule nach Tutzing am Starnberger See und trat nach Beendigung der Schule bei den „Missionsbenediktinerinnen von Tutzing“ ein.

Doch dann wurde ich, als ich schon Novizin war, ernsthaft krank, denn ein Lungenleiden aus der Kriegszeit flammte wieder auf. Man sagte mir klar, dass ich nicht länger im Orden bleiben und auch nicht mehr in die Mission gehen könne. Es war für mich wie ein Sterben, meinen Traum und die Berufung zur Missionsschwester aufgeben zu müssen. Aber bei der Abfahrt am Bahnhof wusste ich sofort: „Wenn ich wieder gesund bin, gehe ich in einen beschaulichen Orden, denn die kleine hl. Therese von Lisieux ist sogar Patronin der Mission geworden.“

Zur Genesung und Erholung wurde ich nach Garmisch-Partenkirchen am Fuß der Zugspitze geschickt. Dort lernte ich als echte „Flachländerin“, die Berge kennen und lieben. In den drei folgenden Sommer- und Herbsturlauben machte ich mit meiner Arbeitskollegin oder auch alleine weite Bergwanderungen und kleine Kletterpartien. Doch immer noch brannte in mir die Sehnsucht nach einem gottgeweihten Leben. Je länger ich jedoch die Schönheit der Berge und der Natur genoss, desto klarer wurde mir, dass ich mir für die Entscheidung, ins Kloster zu gehen, nicht mehr Zeit lassen dürfte. Sonst würden die Berge mein Herz ganz in Beschlag nehmen…

Mit meiner Arbeitskollegin hatte ich eine Dolomitenwanderung geplant. Doch ein früher Schneeeinfall verhinderte es, und so entschieden wir uns, eine Kulturfahrt nach Salzburg und Wien zu unternehmen. So kam ich 1960 zum zweiten Mal nach Österreich.

Wir besuchten die vielen prachtvollen Kirchen, mit glanzvoller Ausstattung. Zuletzt „stolperten“ wir quasi über den Nonnberg, und ich entdeckte, dass es eine Benediktinerinnenabtei war. Meine Kollegin war schon ganz k.o. und sagte: „Ich gehe dir in keine Kirche mehr hinein!“, doch ich wollte unbedingt noch hineingehen. So kam ich an einem regnerischen Nachmittag zum ersten Mal auf den Nonnberg. Als ich die Kirche betrat, war sie halbdunkel und strahlte doch eine mystische Atmosphäre aus: kein Goldglanz, keine barocke Ausstattung, nur schlichte Einfachheit der Konturen, einladend zum stillen Gebet.  Auf einmal wusste ich ganz klar: hierher gehöre ist, dass ist der Platz, an dem Gott mich haben will.

Im Herbst 1962 kam ich dann das dritte Mal nach Salzburg, um hier am Nonnberg einzutreten – und seither bin ich hier, seit 59 Jahren. Ich habe diesen Schritt noch keinen Tag lang bereut. Im Gebet, im gemeinsamen Gotteslob und in der Arbeit darf ich am Kommen des Reiches Gottes und an der Mission der Kirche mitwirken – das ist eine große Gnade! Natürlich besteht auch das Leben im Kloster nicht nur aus lauter Rosen. Es gibt auch Zeiten, wo es schwerer ist – so wie in jedem Leben -, doch die Gewissheit, dass das der Ort und das Leben ist, zu dem Gott mich berufen hat, hat mich durch alle Zeiten getragen. Ich bin dem Herrn dankbar, dass Er mich in seine Nachfolge gerufen hat, und ich kann nur jede und jeden ermutigen, nicht lange zu zögern und mit frohem und ganzem Herzen dem Ruf des Herrn zu folgen, sei es als Ordenschrist, als Priester oder in der Familie. ER schenkt Leben in Fülle und ER ist treu – unser ganzes Leben hindurch.