… über das Leben des hl. Benedikt

Grüß Gott, Papst Gregor! Du hast uns im 2. Buch der Dialoge das Leben des Heiligen Benedikt vorgestellt. Diese von dir verfasste Vita erinnert mich an die Vita des hl. Antonius von Athanasius d. Gr. und an die Vita des hl. Martin von Sulpicius Severus. Benedikt ist wie die beiden anderen Mönchsväter, ein besonders gesegneter Wundertäter. Wie können wir Menschen des 21. Jahrhunderts uns das vorstellen und verstehen?
Pp. Gregor: In dem Gespräch mit dem Diakon Petrus benenne ich mehrere zuverlässige Zeugen, die Benedikt noch unmittelbar erlebten. Benedikts Leben ist keine Legende, doch war es auch nicht meine Absicht, einen Tatsachenbericht zu erstellen. Der Maßstab für Benedikts Leben war die Hl. Schrift, und an ihr orientierte sich sein Leben. Er wollte auch nicht anders verstanden sein, als im Blick auf die Heilige Schrift. Sich an der Schrift zu orientieren, ist auch für Menschen des 21. Jahrhunderts möglich, und die Option für gelingendes Leben, denke ich.
Ja, das stimmt. Auch mir fällt stark auf, dass du immer Parallelen zur gesamten Schrift herstellst. Was war dir dabei wichtig?
Pp. Gregor: Benedikts Leben war ein Weg hin zum ewigen Leben. Wie das gelingen kann, sollte an Benedikt abgelesen werden können. Eine topographische Linie lässt sich erkennen: Der Weg führte ihn von Nursia nach Rom und weiter nach Enfide. Hier war ein entscheidender Einschnitt, der seinen Weg unterbrach: Wunder und Prüfung. Ein Wundertäter erweckt Bewunderung und dies können wir auch in der Heiligen Schrift an den Propheten, an Jesus und an den Aposteln sehen. Zugleich bedeutet dies eine Prüfung des Glaubens – nur Gott allein wirkt Wunder, und es sollte zu einem vertieften Vertrauen auf Gottes Hilfe führen und nicht zur Selbstverherrlichung, in der Art eines Superstars. Benedikt erkannte die Gefahr und ging in die Höhle. Dort verblieb er, bis Gott ihn von dort herausführte. Daran kannst du sehen, dass ein spirituelles Leben, zuerst ein Weg nach innen ist. Die Höhle oder die Wüste steht für geistlich kämpfen lernen. Dies kannst du auch am Leben des hl. Antonius oder des hl. Martinus ablesen.
Wie ist es möglich, dass Benedikt ohne Begleitung seinen Weg fand?
Pp. Gregor: Ja, das ist etwas ungewöhnlich, doch ist es möglich, mit der Hilfe Gottes. Der Mönch Romanus war in der Höhlenzeit Benedikts sein einziger menschlicher Helfer. Die sehr enge Höhle, in der Benedikt für 3 Jahre verblieb, ließ sein Herz wachsen und weiter werden und öffnete ihn für die anderen.
Mir fällt dabei die Parallele zum Prolog der Regel auf. Im Vers 48 und 49 verweist Benedikt auf den engen Weg am Anfang, der im Fortschritt der Erprobung, das Herz weitet zu unsagbarer Freude der Liebe. Hat er seine Erfahrungen aus der Höhle in die Regel aufgenommen?
Pp. Gregor: Mitnichten! Er konnte nicht anders lehren als er lebte – das ist auch mein Resümee.
Wie wurde Benedikt nun zum Begleiter von Menschen?
Pp. Gregor: Sein Beispiel wurde bekannt, und so wurde er gesucht. Als Seelsorger half er erstmals Menschen in verschiedenen Nöten. Weitere Prüfungen, die der Sinne und die des Scheiterns in der Gemeinschaft von Vicovaro, warteten auf ihn. Nochmals ging er in die Einsamkeit, und wohnte ganz in sich selbst – allein – im Angesicht Gottes.
Wie kann man sich das „wohnte in sich selbst“ vorstellen?
Pp. Gregor: Darauf komme ich in den Dialogen zu sprechen. Es ist die Gnade der Kontemplation. Benedikt gelangte dahin durch Beobachtung seines eigenen Denkens. In der Kraft des Heiligen Geistes wird der gottsuchende Mensch, der wachsam sein eigenes Denken beobachtet, über sich selbst hinausgeführt. So kann Gott durch diesen Menschen, also Benedikt, wirken. Sein Beispiel blieb nicht verborgen, obwohl er in der Einsamkeit wohnte. Immer mehr Menschen suchten ihn in Subiaco auf, und wollten sich ihm anschließen, und so wurde er zum Klostergründer. Sein Charisma, es verweist auf den Geist des Einen, und es erinnert an Mose, Elija, Elischa, Jona, David und Petrus. Es weckte auch Neid und Eifersucht bei einem Priester. Um der Brüder willen verließ er Subiaco; der Weg führte ihn nach Montecassino.
Du kannst darin auch eine geographische Linie erkennen: Diese beginnt in der Höhle, von dort kommt er in die Ebene, dafür steht Subiaco, weiter führt ihn dieser Weg auf den Berg Montecassino.
Immer wieder vergleichst du Menschen der Hl. Schrift mit Benedikt. War Benedikts Leben damit ein Programm für zukünftige Mönche?
Pp. Gregor: Ja, gewiss. Wie ich eingangs sagte, wollte nicht nur seine Regel, sondern auch sein Leben eine Ikone für den Weg zum Ewigen Leben sein.
Die geographische Linie: Höhle, Ebene, Berg erinnert mich an das Leben Jesu. Vor Beginn seines öffentlichen Wirkens ging Jesus in die Wüste, in der er sich den Versuchungen stellte. Danach wanderte er umher, verkündete das Evangelium zuerst in Galiläa, scharte Jünger um sich, und half Menschen in allerlei Nöten und Krankheiten. Sein Weg führte ihn nach Jerusalem, wo er sein Leben auf dem Berg Golgotha vollendete. War das Vorbild Jesu für die Beschreibung von Benedikts Weg für dich prägend?
Pp. Gregor: Ja. Das Leben Jesu ist für alle Mönchsväter Vorbild, das es nachzuahmen galt. Aber nicht nur das Leben Jesu spiegelt sich in Benedikt. Du kannst darin auch das Leben Abrahams sehen, der auf Gottes Verheißung hin alles verlassen hat, in ein fernes Land zog und am Berg Morija seinen Sohn Gott übergab; oder Mose, wie er im Auftrag Gottes Wunder vollbrachte, um das Volk Israel aus der Versklavung zu befreien, und am Berg Sinai die Weisungen für das Volk erhielt, um nur einige zu nennen.
Montecassino war nun sein eigentliches Wirkungsfeld. Wir erfahren von dir, dass er dort viele Wunder wirkte wie Mose und Jesus. Welche Bedeutung haben diese Wunder im Leben Benedikts?
Pp. Gregor: Durch die Analogie zu Mose und den Propheten und vor allem zu Jesus wird deutlich, dass Benedikt in der Kraft Gottes wirkte. Für die Brüder und die Menschen in Not war es von Bedeutung Vertrauen zu haben als auch Demut zu üben. Dazu ermunterte er auch die Brüder durch seine Zeichen. Manche Wunder wirkte er durch inständiges Gebet.
Einmal aber war es ihm verwehrt, seinem Willen zu folgen, stattdessen wurde das Gebet seiner Schwester Scholastika erhört. War das nicht eine Niederlage für Benedikt?
Pp. Gregor: In gewisser Weise musste er einsehen, dass auch er sein Ziel noch nicht erreicht hatte. Die größere Liebe verlangte in jenem Augenblick etwas anderes, als er es gewohnt war. So hat seine Schwester ihm zum Aufstieg der Seele in die Gottesschau verholfen. Denn erst nach ihrem Tod kannst du im Leben Benedikts eine dritte architektonische Linie erkennen: Turm und Himmelsstraße, die seiner Vollendung vorausgehen.
Wir erfahren von Scholastika weiter nicht viel, was ich als Frau natürlich sehr schade finde. Wäre es nicht vorstellbar gewesen auch eine Vita der hl. Scholastika zu schreiben?
Pp. Gregor: Ich muss gestehen, dass wir Männer in der Kirche, die Frauen immer zu wenig in den Blick genommen haben. Das hat auch mit der gesellschaftlichen Stellung der Frauen in unsrer Zeit zu tun. Dass ich trotzdem diese so bedeutsame Begegnung von den Zwillingsgeschwistern Benedikt und Scholastika in die Vita aufnahm, ist doch auch für euch in diesen Tagen gut zu erkennen: Der Primat der Liebe! Benedikt hat in seiner Treue zur Ordnung nicht sofort erkannt, dass die Liebe manchmal anderes verlangt. „…hätte ich aber die Liebe nicht, nütze es mir nichts“ um mit dem hl. Paulus zu sprechen. (1Kor.13,3)
Eine Vita Scolasticae zu schreiben, habe ich leider versäumt, und doch spricht Scholastika vielleicht gerade durch dieses eine so bedeutsame Zeugnis zu euch: Bleibt in der Liebe, und ihr seid immer mit dem Herrn Jesus vereint! In der Liebe wird der Glaube wirksam, und in der Liebe ist dem, der glaubt, nichts unmöglich!
Danke Papst Gregor!